Einleitung
Der Boden wird rechtlich
durch das Bundes-Bodenschutzgesetz sowie verschiedene Landes-Bodenschutzgesetze
geschützt. In der Landes- und Regionalplanung wird vor allem vorsorgender
Bodenschutz realisiert, indem die Bodenfunktionen als bodenschutzrechtliche
Belange in die Abwägung konkurrierender Ansprüche an den Planungsraum
eingebracht und bei der regionalplanerischen Darstellung von Freiräumen und
Freiraumfunktionen berücksichtigt werden.
Um diese Arbeit
zu erleichtern, stellt der Geologische Dienst in Nordrhein-Westfalen die Karte
der schutzwürdigen Böden als Bodenschutz-Fachbeitrag für den
Gebietentwicklungsplan bereit. Die Karte liegt nunmehr in 2., inhaltlich
differenzierterer Auflage vor. Auf Grundlage der flächendeckenden Bodenkarte
von NRW im Maßstab 1 : 50 000 werden alle Böden
hinsichtlich ihrer natürlichen Bodenfunktionen und der Archivfunktion in
Abhängigkeit vom Grad der Funktionserfüllung je Funktion in drei Stufen
bewertet. Der Fachbeitrag des Geologischen Dienstes bewertet die natürlichen
Bodenfunktionen und die Archivfunktion, weil diese in besonderem Maße des
vorsorgenden Schutzes durch die Planung bedürfen. Die hier bewerteten
Bodenfunktionen setzen naturnahe, wenig überprägte Böden voraus, während die
Böden für die Nutzungsfunktionen durch menschliche Eingriffe nutzungsspezifisch
optimiert und
darüber hinaus als Fläche für Siedlung, Industrie und Verkehr versiegelt bzw.
als Rohstofflagerstätte verbraucht werden.
Dem
Übersichtscharakter der zugrundeliegenden Bodenkarte
von NRW 1 : 50 000 entspricht, dass auch überbaute
Flächen oder kleinere Gewässer wie schutzwürdige Böden ausgewiesen werden. Für
die als Siedlung und Industrie genutzten Flächen sind dies Hinweise auf die
schon vorliegenden versiegelungsbedingten Verluste an schutzwürdigen Böden.
Ausweisungen von Böden mit besonders hoher
Erfüllung von Funktionen nach BBodSchG
Schutzwürdige Böden werden ausgewiesen für die Boden(teil-)funktionen
1 Archiv der Natur- und Kulturgeschichte
2 Lebensraumfunktion: Teilfunktion: hohes Biotopentwicklungspotenzial (Extremstandorte)
3 Lebensraumfunktion: Teilfunktion: hohe natürliche Bodenfruchtbarkeit /Regelungs- und Pufferfunktion
Böden
mit einer hohen physikalischen und chemischen Filterwirkung und damit einer
hohen Schutzfunktion für das Grundwasser werden hier nicht gesondert
ausgewiesen; eine Übersicht und Untergliederung gibt Tabelle 1.
Die Ziffern kennzeichnen die Reihenfolge der Ausweisung. Demnach werden Böden,
die wertvolle Archive der Natur- und Kulturgeschichte sind, zugleich aber auch
ein hohes Biotopentwicklungspotenzial aufweisen, nach der Archivfunktion
gekennzeichnet; darin spiegelt sich die Einzigartigkeit und Unersetzbarkeit der
Archivfunktion ebenso wider wie der üblicher Weise viel geringere Flächenanteil
der Archivböden. Dass Böden besonders fruchtbar sind und zugleich ein hohes
Biotopentwicklungspotenzial für Extremstandorte aufweisen, kann fachlich
ausgeschlossen werden; Archivböden werden auch vorrangig vor der
Bodenfruchtbarkeit ausgewiesen.
Die Böden werden
hinsichtlich ihres Schutzwürdigkeitsgrades in drei Stufen eingeteilt.
Tabelle 1: Legende zur Karte „Schutzwürdige Böden in NRW (2. Auflage,
2004)“
Die Abfrage der Schutzwürdigkeit folgt der Reihenfolge in der Tabelle.
Kurzzeichen |
Beschreibung der Boden(teil-)funktion |
besonders schutzwürdig |
sehr schutzwürdig |
schutzwürdig |
|
Archiv der Natur und Kulturgeschichte |
„?“ = 3 |
„?“ = 2 |
|
sw?_ap |
Plaggenesche
und tiefreichend humose Braunerden |
/ / / / / |
/ / / / / / / / / / / / / / / / / / |
|
sw?_ac |
Tschernoseme und Tschernosemrelikte |
/ / / / / |
/ / / / / / / / / |
braun |
sw?_am |
Böden
aus Mudden oder Wiesenmergel |
/ / / / / |
|
rotbraun |
sw?_aq |
Böden
aus Quell- und Sinterkalken |
/ / / / / |
|
h.rot-braun |
sw?_av |
Böden
aus Vulkaniten |
/ / / / / |
|
d.rot-braun |
sw?_ak |
Böden
aus kreidezeitlichen Lockergesteinen |
/ / / / / |
|
hellgrün |
sw?_at |
Böden
aus tertiären Lockergesteinen |
/ / / / / |
|
ocker |
|
Biotopentwicklungspotenzial (Extremstandorte) |
|
|
|
sw?_bm |
Moorböden |
/ / / / / / / / / / / / / / / |
/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / |
grün |
sw?_bg |
Grundwasserböden: |
/ / / / / / / / / / / / / / / |
|
hellblau |
sw?_bs |
Staunässeböden |
/ / / / / / / / / / |
|
hellgrau |
sw?_bx |
aktuell
grundwasser- und staunässefreie, tiefgründige Sand- oder Schuttböden |
/ / / / / / / / / / / / / / / |
/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / |
hellgelb |
sw?_bz |
trockene
bis extrem trockene, flachgründige Felsböden |
/ / / / / / / / / / |
/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / |
gelb |
|
Regelungs- und Pufferfunktion / natürliche Bodenfruchtbarkeit |
|
|
|
sw?_ff |
Böden
mit hoher oder sehr hoher natürlicher Bodenfruchtbarkeit: |
/ / / / / / / / / / / / / / / |
/ / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / |
dunkelbraun |
|
außerhalb der Bewertung |
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|
|
|
nach
obigen Kriterien weniger schutzwürdig bzw. nicht kartiert |
|
|
weiß |
Archiv der Natur- und Kulturgeschichte
Böden können vom Ausgangsmaterial der Bodenbildung her
oder auch durch die Entwicklung im jeweiligen Ausgangsmaterial besonders
wertvolle Archive der Natur- und Kulturgeschichte sein, wenn
·
das
Ausgangsmaterial sehr selten im 2-Meter-Raum ansteht wie bei vulkanischen,
tertiären oder kreidezeitlichen Gesteinen.
·
die Entwicklung
in repräsentativer Weise typisch verlief.
·
an der Entstehung
außergewöhnliche Prozesse beteiligt waren wie bei Quell- und Sinterkalken.
·
prägnante
Merkmale einer reliktischen, also heute nicht mehr
ablaufenden Bodenentwicklung zu erkennen sind wie bei Tschernosemen.
·
der Aufbau des
Bodenprofils durch historische Agrakulturtechniken
geprägt ist wie bei Plaggeneschen und Wölbäcker.
Solche überwiegend seltenen Bodenbildungen lassen sich
aus der Bodenkarte über das Kriterium Bodentyp (Anlage Archiv – Bodentypen)
sowie über die geogenetischen und petrographischen
Beschreibungen Anlage (Archiv – geologische Kennzeichnungen) finden.
Böden aus kreidezeitlichen oder tertiären
Lockergesteinen werden nur dann ausgewiesen, wenn diese Lockergesteine
spätestens ab 10 dm Tiefe und praktisch ohne quartäre Überprägung angetroffen
werden. Bei den Böden aus tertiären Lockergesteinen handelt es sich zum Teil um
besonders tiefgründige Podsole oder um Haftnässe-Pseudogleye und oft um Böden aus glaukonitischen, schwach tonigen Sanden.
Die Vielfalt Bodenentwicklungen und die
Einzigartigkeit mancher Bodenmerkmale erschweren die Aufstellung allgemeingültiger
Ausweisungskriterien. Deshalb wurde hier eine Sammelkennzeichnung eingeführt
für Archive der Naturgeschichte als Einzelausweisungen. Darin lassen sich nach
übergeordneten Kriterien folgende Untergruppen unterscheiden:
typologisch Terrae calcis
(Terra fusca, Terra rossa),
Pelosole, Fersialite
Diese Bewertung kann mit der Ausweisung von Böden aus tertiärem Lockergestein
konkurrieren.
genetisch Hangschutt, Blockstrom, Rutschmasse, Rückstandsschutt,
Restschotter, Blockmeer, Steinsohle. Diese Bewertung konkurriert mit der
Ausweisung tiefgründiger Schuttböden.
bodenchemisch Kalk-Bodentypen. Diese Bewertung konkurriert
überwiegend mit der Ausweisung der Moor- und Grundwasserböden.
Böden weisen ein hohes Biotopentwicklungspotenzial für
Extremstandorte auf, wenn sie besonders nass, besonders trocken, sehr
nährstoffarm oder sehr nährstoffreich sind. Daher werden hierzu die Kriterien
Grundwasserstand, Staunässestufe sowie nutzbare Feldkapazität,
Kationenaustauschkapazität und Bodentyp (Anlage Biotop) abgefragt.
Ausgewiesen werden:
·
Moore nach
Bodentyp und Grundwasser- teilweise auch Staunässestufe. Moor-Kulturböden
werden bei tiefem Grundwasserstand als Archive der Kulturgeschichte, bei einem
Grundwasserstand oberhalb von 4 dm unter GOF als Böden mit hohem
Biotopentwicklungspotenzial eingestuft.
·
Nasse und
wechselfeuchte Standorte anhand der aktuellen Grundwasser- oder Staunässestufe.
Hier spielt der Bodentyp eine untergeordnete Rolle.
·
Trockene und
extrem trockene Standorte anhand der Bodentypen und unter Berücksichtigung der
nutzbaren Feldkapazität im effektiven Wurzelraum.
Darin enthalten sind auch besonders junge Bodenentwicklungen in holozänem Flugsand, die jedoch nicht als Archive der
jüngsten Naturgeschichte ausgehalten werden.
Zusätzlich wird
–in der ausführlichen digitalen Version dieser Auswertung, nicht in der
CD-Version– gegebenenfalls auf
Kalkgehalt im Oberboden oder im anstehenden Festgestein hingewiesen.
Waldstandorte können –nur auf Basis der
großmaßstäbigen Bodenkarte– darüber
hinaus noch als basenarm oder basenreich charakterisiert werden.
Bei großmaßstäbiger Betrachtung sollte die Bewertung durch die Karte
schutzwürdiger Biotope der LÖBF ergänzt und abgesichert werden.
Regelungs- und
Pufferfunktion / natürliche Bodenfruchtbarkeit
Böden mit hoher oder sehr hoher Bodenfruchtbarkeit
werden auf Basis bodenphysikalischer Kennwerte und der Wasserverhältnisse
ausgewiesen. Diese Auswertung kann durch den Vergleich mit den Wertzahlen der
Bodenschätzung ergänzt und abgesichert werden. Hinsichtlich der Ausgrenzung von
Flächen mit hoher Funktionserfüllung orientiert man sich bundesweit an einer
Bodenwertzahl (Bodenzahl bzw. Grünlandgrundzahl) von 60, oberhalb der die
Vorrausetzung von § 12 Abs. 8 der BBodSchV
angenommen wird. Regional ist dieser Grenzwert durch eine Gegenüberstellung der
flächenhaften Verteilung der Bodenwertzahlen und der Bodenfruchtbarkeit zu validieren.
Der hier auf bodenkundlichen Grundlagen aufgebaute
Bewertungsansatz zur Bodenfruchtbarkeit gilt landesweit und macht gegenüber der
Erstauflage der „Karte der schutzwürdigen Böden“ die großen Unterschiede der
Naturraumausstattung in NRW transparent. Demnach werden vor allem im
Sandmünsterland kaum Böden mit hoher Bodenfruchtbarkeit ausgewiesen, jedoch
großflächig auftretende Plaggenesche als Archive der Kulturgeschichte. Diese
Böden wurden aber aufgeplaggt , damit sie fruchtbarer werden; hier liegt demnach eine
sinnfällige Überlappung von zwei Kategorien der Schutzwürdigkeit vor.
Böden mit hoher oder sehr hoher Bodenfruchtbarkeit
sind als Vorrangflächen für die Landwirtschaft zu betrachten, wenn auch die
klimatischen und topographischen Standortfaktoren diese Nutzung stützen.
Andernfalls sind diese Böden als Forststandorte mit sicheren und hohen Erträgen
einzustufen. Beispiele dafür sind Flächen mit hoher Hangneigung, Flächen in
klimatisch ungünstiger Lage wie auf der Vennhochfläche
oder Flächen im Auenbereich. Dort können sie in Abhängigkeit vom Vorfluter und
der Lage flussabwärts von Emittenten durch Schwermetalle oder andere Stoffe
belastet sein, ohne dass dies hier dargestellt werden kann.
Die Reihenfolge der natürlichen Bodenfunktionen nach Tabelle 1 gewährleistet die Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit der Abfragen auf den Datenbestand, bildet jedoch keine fachlich begründete Rangfolge.
Fachlich sind Böden mit ausgeprägter Erfüllung natürlicher Bodenfunktionen untereinander gleichwertig.
Deshalb können Flächen, die aufgrund ihrer Archivfunktion, ihres Biotopentwicklungspotenzials für Extremstandorte oder ihrer hohen Bodenfruchtbarkeit ausgewiesen wurden, nach bodenkundlicher Sicht nicht gegeneinander bewertend abgewogen werden.
Die flächenhafte Dominanz von Böden, die nach derselben Kategorie mit gleicher Bewertungsstufe ausgewiesen werden, ist kein Argument für eine auch nur lokale Abwertung. Die Planung muss auch diesen Aspekte der unterschiedlichen natürlichen Ausstattung unserer Landschaftsräume in der Abwägung berücksichtigen.
Die fachlichen Abstufungen der Schutzwürdigkeit von „besonders schutzwürdig“ über „sehr schutzwürdig“ bis „schutzwürdig“ sind Grade der Schutzwürdigkeit innerhalb ein und derselben natürlichen Bodenfunktion. Sie stufen den Erfüllungs- oder Ausprägungsgrad funktionsspezifischer Kriterien ab und erheben den Anspruch überregional, also landesweit gültig zu sein.
Für die regionale und lokale Praxis des Bodenschutzes ergeben sich daraus folgende Konsequenzen:
· Werden für ein Planungsgebiet Böden nach einer Kategorie als lediglich „schutzwürdig“, aber nicht als „sehr schutzwürdig“ oder „besonders schutzwürdig“ ausgewiesen, bleibt der Tatbestand erhalten und in die Planung oder Untersuchung einzubinden, dass Böden mit hoher Funktionserfüllung vorliegen – auch wenn sie im landesweiten Vergleich keine Spitzenwerte erreichen.
· Werden für ein Planungsgebiet Böden nach einer Kategorie als „schutzwürdig“ und andere Böden nach einer zweiten Kategorie als „sehr schutzwürdig“ oder „besonders schutzwürdig“ ausgewiesen, können sie nicht gegeneinander bewertend abgewogen werden. Stattdessen ist nur jede vor Ort ausgewiesene Bodenfunktion in sich eigenständig über alle Flächen und alle Grade der Schutzwürdigkeit zu bewerten.
· Die einzige Ausnahme bilden die Plaggenesche, die eher als Archiv denn als besonders fruchtbarer Boden ausgewiesen werden, obwohl sie gerade dazu aufgeplaggt wurden; hier liegt eine sinnfällige Überlappung zweier Kategorien der Schutzwürdigkeit vor.